Donnerstag, 2. Mai 2013

Keynesianische Mythen: Schuldenvorbild Japan



Kennen Sie den Staatsschuldenstand der japanischen Volkswirtschaft? 
Für das Jahr 2013 wird ein Stand von über 240% des BSP prognostiziert. Damit ist Japan das höchst verschuldete Land der Welt. Kein anderes Land auf der Welt hat gemessen an seiner jährlichen Leistungskraft so hohe Staatsschulden.

 




Quelle: IMF "Fiscal Monitor", April 2012

Wenn man den japanischen Schuldenstand mit dem griechischen (171%), italienischen (124%) oder dem spanischen (84%) vergleicht, so werden besonders Stimmen aus dem keynesianischen Lager hörbar, welche versuchen den Schuldenstand von z.B. Griechenland zu relativieren, indem sie auf die Kennzahl von Japan hinweisen und die sogenannte Sparpolitik in Frage stellen, nach dem Motto: "Da geht noch was".

Besonders in Blogs die politisch "Links" verortet sind und Beiträge um das Thema Staatsschulden schreiben, sind immer wieder Stimme hörbar, die mit dem Hinweis auf den hohen Staats-Schuldenstand in Japan zu Verschwörungstheorien neigen. Sie können sich z.B. nicht erklären, wie es z.B. für Italien mit einer Schuldenquote von 124% auf einmal schwerer sein sollte, sich Geld auf den internationalen Kapitalmärkten zu leihen, obwohl Japan fast eine doppelte so hohe Staatsverschuldungsquote hat. "Die Märkte haben sich gegen die Staaten verschworen", so die meisten Linksökonomen, die schon von Natur aus dazu tendieren, in Schulden kein Problem sehen zu wollen und immer wieder gerne auf den Schuldenstand in Japan hinweisen. Und einer davon ist der Ökonom und Honorarprofessor Heiner Flassbeck, dessen Thesen von vielen linken Bloggern unkritisch übernommen wird.

In einem bemerkenswerten Kommentar in der Badischen Zeitung ließ sich Herr Flassbeck dazu hinreißen, jeden der an eine "Schuldenkrise" glaubt als "Dummkopf" zu betiteln. Es könne sich gar nicht um eine Staatsschuldenkrise handeln, da Japan die höchsten Staatsschulden habe und das bei zeitgleich niedrigen japanischen Zinsen. Es gibt somit keine Schuldenkrise, es handelt sich lediglich um ein "Finanzierungsproblem", so Flassbeck's euphemistische Lesart. Dass dieses Finanzierungsproblem seine Ursachen grade in den zu hohen Staatsschulden hat, passt nicht in die ideologische Welt des Herrn Flassbeck und seiner eher linken Anhängerschaft.




Aber in der Tat, schaut man sich als unbefangener Leser die Staatsschuldenquoten an, ist die Frage sehr berechtigt: Warum hat Japan mit 240% keine Finanzierungsproblem, während  Griechenland mit 171% keine zahlungsbereiten Gläubiger findet? Und obwohl Griechenland eine niedrigere Staatsschuldenquote als Japan hat, muss Griechenland für seine 10jährigen Schulden 11%, Japan aber nur knappe 0,7% zahlen. Der griechische Staat muss also mehr als 10%-Punkte mehr für seine Schulden zahlen als der japanische.
Oberflächlich betrachtet scheint Flassbeck Recht zu haben, denn zwischen Staatsschuldenquote und Risikoaufschlag gibt es auf den ersten Blick keinen Zusammenhang, also haben die hohen Zinsforderungen gegenüber dem griechischen Staat mit der Staatsschuldenquote und somit mit den Schulden nichts zu tun. Und wer das nicht versteht, ist ein Dummkopf.

It's the Schuldendienstdeckungsgrad, stupid!

Die Dummköpfe können aber aufatmen, Herr Flassbeck's Logik hat nämlich einen gewaltigen Haken: Die Kennzahl der Staatschuldenquote spielt bei der Beurteilung der Kreditgeber über die Bonität eines Staates eine unbedeutende Rolle. Überlegen Sie mal selber: Würden Sie Ihr eigenes Geld eher in Griechenland als in Japan stecken nur weil es eine geringere Staatsschuldenquote hat? Würden Sie bei Ihrer Investitionsentscheidung nur eine Kennzahl nutzen? Sie sind doch kein Dummkopf!
Die akademische Welt hat sich natürlich auch der Frage gewidmet, was die ausschlaggebenden Faktoren bei der Risikobewertungen von Staatsanleihen sind. Es gibt unzählige Literatur darüber die versucht die verschiedenen Variablen der Zinshöhe bei Staatsanleihen zu erklären. Ergebnis: Nicht die Staatsschuldenquote ist wichtig, sondern viel eher der Schuldendienstdeckungsgrad.[1]

Man braucht aber nicht in akademischen Schriften zu stöbern um rauszufinden, warum und wie die Vermögensverwalter entscheiden, man kann ja auch ein Blick über deren Schulter werfen. Warum also den akademischen Esel fragen wenn der praktizierende Bauer daneben steht?

Wenn Vermögensverwalter wie z.B. Pensionsfonds Staatsschulden kaufen wollen, dann interessieren sie sich für das Einkommen des Staates. Diese Einnahmen müssen den Schuldendienst des Staates finanzieren können. Bedient werden müssen neben den Zinsen, die fällig werdenden Anleihen und das aktuelle Defizit. Es ist naheliegend, je weniger ein Staat für sein Schuldendienst aufwenden muss, desto höher ist seine Bonität und desto bereiter ist man diesem Staat auch Geld zu leihen. Während Japan in den letzten Jahren ca 19% - 24% seiner Einnahmen für den Schuldendienst brauchte, lag er bei Griechenland zwischen 31% - 35%. Japan hat wegen den noch niedrigen Zinsen einen geringeren Schuldendienst zu schultern was in solventer gegenüber Griechenland erscheinen lässt. Aber Vorsicht ist dennoch angebracht: Japans gesamte Schuldenlast über aller Laufzeiten beträgt etwa 0,80%. Wenn wir den japanischen Schuldendienst mit 25% annehmen, dann muss Japan bei einem Zinssatz von etwa 3,2 % (=0,80% *4) seine gesamtes Einkommen für den Schuldendienst aufwenden. Japan wäre in sehr ernsten Schwierigkeiten und das bei nur knapp über 3% Zinsen. 

Der Kennzahlen-Mix macht es

Jeder Kennzahl ist eindimensional. Deswegen ist es wichtig ein Bündel von Zahlen zu haben um sich ein plastisches Bild über die finanzielle Situation eines Staates verschaffen zu können. Während der Schuldendienstdeckungsgrad etwas über die Bonität des Schuldner aussagen kann, zeigt die Staatsschuldenqoute die Sensibilität auf Zinsveränderungen an. Anleihekäufer benutzen daher in ihren Modellen eine Vielzahl von Kennzahlen um die Bonität von Staaten zu evaluieren. Dabei wird auch oft in Szenarien gedacht. So gibt es z.B. Vermögensverwalter, die auch die Schulden von Banken in den jeweiligen Ländern mit in ihre Modellrechnungen übernehmen, wenn sie davon ausgehen, dass der Staat die Banken im Notfall retten wird. Auch auf die Handelsbilanz einer Volkswirtschaft wird ein prüfendes Auge geworfen. Ein Land mit einem Exportüberschuss wie Japan hat eine bessere Bonität als ein Land mit einem Handelsbilanzdefizit wie Griechenland, weil Geld aus den Exporterlösen in die Volkswirtschaft hineinfließt, während Griechenland die Importe mit weiteren Krediten finanzieren muss weil die Exporterlöse zu gering sind.
 
Sehr bedeutend ist die Gläubigerstruktur. Der japanische Staat ist vorwiegend bei seiner eigenen Bevölkerung verschuldet, welche eine Sparquote von über 15% aufweist. Griechenland hingegen hat sich bei französischen und deutschen Banken, also im Ausland verschuldet. Während also bei einer möglichen Krise das Kapital in Japan bleibt, flieht es bei einer Krise aus Griechenland und verschlimmert die Situation noch weiter. Ausländische Schuldner wirken wie ein Krisen- Katalysator.

Was aber Japan trotz hoher Staatsschuldenquote ausmacht: Es ist einer der grössten Gläubiger der Welt:


Japan ist zwar ein großer Schuldner, aber auch ein noch größerer Gläubiger. Würde Japan alle seine Schulden mit seinen Forderungen aufrechnen blieben ca 54% des japanischen Bruttosozialprodukts übrig. Japan hält z.B. US-Anleihen im Wert von über 1,3 Billionen US-Dollar und ist somit neben China der zweitgrößte ausländische Gläubiger der USA. Japan konnte nämlich dank seines über jahrzehntelang positiven Handelsbilanz Ersparnisse bilden und ausleihen. Griechenland ist dagegen mit -134% faktisch Bankrott. Während Griechenland netto keine Auslandsforderungen aufweisen kann, kann Japan zur Bedienung seiner Schulden gemütlich zuerst seine Auslandsforderungen nutzen. Alleine an dieser Tatsache kann man sehen, wie irreführend die alleinige Nutzung der Staatsschuldenquote ist und wie grotesk Herr Flassbeck's Behauptung ist, Griechenland hätte kein Schuldenproblem. 

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt auch wie wenig vertrauenswürdig Staaten sind, wenn es um die Veröffentlichung der Staatsschuldenquote geht. Die Schönung der Kennzahlen von Italien und Griechenland um in die Währungsunion zu kommen ist ein trauriger Beweis dafür. So gab Argentinien für das Jahr 2000 eine Staatsschuldenquote von 45% an, die Zahl lag somit unter den 60% der Maastricht-Kriterien. Ende 2001 war Argentinien bankrott.

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Quellenangaben:


[1] OECD Economic Surveys: Greece 2007, Issue 5, S.65 f.






1 Kommentar:

  1. Das ist ja genau das, was Flassbeck sagt. Die Staatsschuldenhöhe ist unerheblich für die Bonität des Schuldners, Stattdessen ist die zukünftige Finanzierung die offene Frage. Im Falle der Südperipherieländer ist dies zum Problem geworden, da diese große Handelsbilanzdefizite aufgrund divergierender Preisniveaus innerhalb der Eurozone hinnehmen mussten. Auch gibt es so etwas wie “self-fullfilling prophecies“ womit schlechte Bonitätserwartungen eine schlechte Bonität durch höhere Zinsen zur Folge haben können. In summa summarum bedeutet dies, dass die Staatsschuldenkrise im Wesentlichen aus den Leistungsbilanzungleichgewichten resultiert. Im Falle Japans ist dies genau umgekehrt: Es hat(te) jahrelange Leistungsbilanzüberschüsse. Außerdem hat Japan eine Staatsfinanzierende Notenbank, womit die Bonität gedeckt ist. Dies bedeutet, dass Flassbecks Schlussfolgerung völlig richtig ist, nämlich, dass die Staatsschuldenkrise nichts mit schlecht wirtschaftenden Griechen zu tun hat, sondern auf konzeptionelle Ausgestaltung der Eurozone zurück zu führen ist.

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