Donnerstag, 20. Juni 2013

Der keynesianischen Endpunkt und die Reinhart / Rogoff Studie


Haben Sie schon mal vom "keynesianischen Endpunkt" gehört?
Diese Wortschöpfung soll angeblich in einer Email vom PIMCO Mitarbeiter Anthony Crescenzi an seine Klienten entstanden sein. Dieser Endpunkt ist dann erreicht, wenn ein Staat keine weiteren kreditfinanzierte Konjukturprogramme und Rettungsmaßnahmen finanzieren kann, weil der Schuldenstand eine Höhe erreicht hat, in der die Altschulden nicht mehr bedient werden können, also der Moment, wo ein Staat faktisch bankrott ist. Diesen Moment hatte z.B. Griechland im April 2010, als es die EU um finanzielle Hilfe bat, weil es ersichtlich wurde, dass die in kürze fällig werdende Anleihen nicht bedient werden konnten.


Die beiden Ökonomen Reinhart und Rogoff haben mit Hilfe einer Studie von 2010 versucht, den Schuldenstand zu ermitteln, ab dem das Wirtschaftswachstum belastetet bzw gebremst wird. Die beiden Ökonomen haben dabei die 90%-Marke evaluiert. Diese Marke ist also der Punkt, der die Endkurve zum keynesianischen Endpunkt einleitet. Die Ökonomen Herndon, Ash und Pollin wollten die Studie nachvollziehen und sind dabei auf eine Vielzahl von Fehlern bei der Berechnung gestoßen. Dass sich Zahlenfehler in wissenschaftlichen Arbeiten einschleichen ist nichts unnormales.

Nur: Zur Zeit herrscht unter den Ökonomen ein erbitterter Glaubenskrieg der durch die jetzige "Euro-Krise" besonders an Schärfe zunimmt, den es geht um die Deutungshochheit der Ursachen dieser Krise. Während auf der einen Seite keynesianischen Ökonomen unteranderem ihr Standartrezept von mehr staatlichen Konjunkturprogrammen, also mehr Staatsschulden propagieren, sieht die Mehrheit der übrigen Ökonomen aber grade in den zu hohen Schulden das Problem und lehnen die keynesianischen Standartrezept strikt ab. Wie können mehr Schulden das Problem lösen, wenn grade die hohen Schuldenstände zur der Krise geführt haben?

Gute Schulden und schlechte Schulden



Gegen Staatsschulden ist prinzipiell nichts zu sagen, sie können aus Generations Gerechtigkeitsaspekte sinnvoll sein. Wenn der Staat z.B Infrastrukturprogramme finanziert um Gebiete zu erschließen und somit die wirtschaftliche Aktivitäten zwischen Städten fördert und mit langlaufenden Krediten finanziert, werden auch nachfolgende Generationen mit der Finanzierung belastet, die auch von dem Infrastrukturprojekt profitieren. Die Verschwendung fängt aber dann an, wenn der Staat in Infrastrukturprogramme investiert, die garnicht gebraucht werden. Wenn z.B. Fahradwege gebaut werden wo es überhaupt keine Bedarf gibt oder Geisterflughäfen entstehen.


Als nun die Berechnungsfehler in der 90% Studie öffentlich wurden und Reinhart und Rogoff die Fehler eingestanden haben, war das Triumphgeschrei der Fans von einem Schuldenstaat kaum zu überhören. Er geht soweit, dass es sogar Leute gibt, die ehrlich glauben, dass Schulden überhaupt kein Bürde darstellt und das Schulden, vorallendingen staatliche, die Wirtschaft wieder "in Bewegung" setzt. Nennen wir mal diese Gläubige "Keynsianer". Um nun die Wirtschaft wieder "in Bewegung" zu setzen wird sogar staatliche Verschwendungen bewusst in Kauf genommen. So schrieb Keynes[1]:


Wenn das Schatzamt alte Flaschen mit Banknoten füllen und sie in geeignete Tiefen in verlassenen Kohlenbergwerken vergraben würde, sie dann bis zur Oberfläche mit städtischem Kehricht füllen würde und es dem privaten Unternehmungsgeist nach den erprobten Grundsätzen des laissez-faire überlassen würde, die Noten wieder auszugraben, ... brauchte es keine Arbeitslosigkeit mehr zu geben, und mit Hilfe der Rückwirkungen würde das Realeinkommen des Gemeinwesens wie auch sein Kapitalreichtum wahrscheinlich viel größer als jetzt werden. Es wäre zwar vernünftiger, Häuser und dergleichen zu bauen, aber wenn dem politische und praktische Schwierigkeiten im Wege stehen, wäre das obige besser als gar nichts.
Keynes ist also ehrlich genug wenn er sagt, dass es zwar sinnvoller wäre z.B. Häuser zu bauen als Arbeitslose mit sinnloser Arbeit zu beschäftigen. Die Kern der Aussage Keynes ist aber, dass es im Grunde egal ist wofür der Staat das Geld ausgibt, die Hauptsache ist es wird erstmal ausgegeben um die Wirtschaft wieder in Gang zu setzen.

In diesem Zusammenhang war Keynes nicht nur ehrlich, sondern auch vorsichtig. Denn er stellte gleichzeitig die These auf, dass durch die staatliche Nachfragepolitik "...[das] Gemeinwesen wie auch sein Kapitalreichtum wahrscheinlich viel größer als jetzt werden.". Keynes war sich wohl selber bewusst, dass seine These ohne den Adjektiv "wahrscheinlich" als kühn, ja sogar als falsch gebrandmarkt wird. Denn jeder weiß, diese zu meist kreditfinanzierte staatliche Nachfragepolitik muss erstmal finanziert werden. Der Staat muss die Arbeiter bezahlen, welche ein Loch buddeln um die Flasche mit Banknoten zu verbuddeln. Und er muss auch die Arbeiter bezahlen, die nach den Flaschen suchen, bzw die Banknoten zur Verfügung stellen, die als Belohnung in den zu verbuddelten Flaschen liegen. Der Staat muss also erst Kapital einsetzten, dass er sich bei Kreditfinanzierung geliehen hat. Was haben aber nun diese Arbeiter mit ihrer Arbeit produziert? Nichts!

Keynesianischer Voodoo: Multiplikatoreffekt

Die Arbeiter haben in erster Linie vorhandene Kapitalien verkonsumiert. Die keynesianischen Wette baut nun darauf, dass durch den kreditfinanzierten Konsum die Wirtschaft ins Laufen kommt und die Kredite durch die bessere wirtschaftliche Lage dann wieder zurückbezahlt werden. Basis dieses Glaubens ist der sogenannte (keynesianischen) Multiplikatoreffekt. Unter Ökonomen ist der Multiplikatoreffekt ein Yeti: Alle haben darüber mal was gehört, gesehen hat ihn aber keiner.

Grundidee dieses Effekts: Gibt der Staat eine Geldeinheit aus, so steigt das Bruttosozialprodukt ebenfalls um eins. Das ist der trivialste Fall, denn die Staatsausgaben des Staates ist für jemanden anderen eine Einnahme. Der Multiplikator ist also 1. Hierbei darf man aber nicht vergessen von wo das Geld kam. Kam es aus Steuereinahmen, hat man lediglich jemandem das Geld weggenommen der es ja auch hätte ausgeben können. Jetzt tut es eben der Staat. Hat der Staat Kredit aufgenommen, so wird dieser durch zukünftige Steuereinahmen, also wieder durch den Steuerbürger, finanziert.

Viel schöner wird es aber - hier fängt die Voodoo Magie an - wenn der Multiplikator grösser eins ist, z.B. zwei. Wenn der Staat also 100 Millionen Euro ausgibt, entsteht über eine längere Frist eine Erhöhung des Bruttosozialprodukt von 200 Millionen Euro, so die keynesianischen Magiergilde.
Wie ist das aber möglich? Wenn der Staat 100 Millionen ausgibt, dann hat jemand diese 100 Millionen als Einkommen. Der wiederum gibt davon z.B. 50 Millionen wieder aus, der nächste gibt davon 25 Millionen aus u.s.w. und sofort. Durch die Staatsausgaben von 100 Millionen Euro sind wirtschaftliche Aktivitäten entstanden, die mehr als 100 Millionen betragen. Das ist auch der tiefe Grund, warum Keynsianer selbst Verschwendung von Staatsausgeben einen Sinn geben können: Die Wirtschaft kommt kurzfristig wieder in Bewegung. So hat einst Obermagier Paul Krugman vorgeschlagen, die USA sollten eine Bedrohung, eine Invasion aus dem All erfinden. So müssten gigantische Staatsausgaben getätigt werden, um dieser außerirdischen Bedrohung zu begegnen. Die Wirtschaft kommt wieder in Bewegung. Gedankenspiel die dem militärisch-industriellen Komplex sicher nicht unangenehm sind. Nicht umsonst hatte Keynes 1936 geschrieben, dass besonders in totalitären Staaten seine Politik am effektivsten ist .Erwähnenswert ist, dass selbst Krugman wertvolle Arbeit zum sogenannten "Dept Overhang" geleitetet hat in dem er unteranderem der Frage nachgegangen ist, ab wann "gute" Schulden zu "schlecht" Schulden werden.[3]Und dieser gleiche Krugman ist nun Galionsfigur der Befürworter für noch mehr Schulden.




Eine Studie die vom IWF finanziert wurde ging nun auf die Suche nach dem Yeti Multiplikatoreffekt(MF) .[2]  Hierbei wurden Daten aus 44 Länder untersucht. Ergebnis: Länder die eine sehr hohen Verschuldungsgrad haben ein gigantischen MF von Null. Das bedeutet, man kann das Geld gleich die Toilettenspülung werfen, es hat die gleichen Effekt, nämlich garkeinen. Der keynesianische Endpunkt ist in Griechenland erreicht.



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Quellennachweise:

[1] John M. Keynes,  Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes (1936)
[2]  How Big (Small?) are Fiscal Multipliers?
Von Ethan Ilzetzki, Enrique G. Mendoza and Carlos A. Végh
http://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2011/wp1152.pdf
[3] http://www.iadb.org/res/ipes/2007/charts/Box10_1.cfm


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